Misteln – Die halbparasitischen Sträucher
Im Elsass ist die fast noch kahle Natur geprägt von auffälligen Kugeln, welche die Baumkronen überall zieren. Ganze Baumreihen sind mit Misteln übersät, die das Landschaftsbild auf einzigartige Weise prägen. Zwar kennt wohl jeder das Brauchtum, nach dem Paare sich in der Weihnachtszeit unter dem Mistelzweig (mistletoe) küssen, um ihre Liebe auf ewig zu besiegeln; doch über die Pflanze selbst wissen die meisten nur wenig.
Misteln erobern als Halbschmarotzer Bäume und Sträucher
Damit die Mistel sich gut an einem Baum festsetzen kann, verfügt der Samen des Halbschmarotzers über eine bestimmte Technik. Bei Kontakt haftet er sich mit einem klebrigen Leim an die Baumrinde und kann mit dem Wachstum starten.
Klebriger Leim hilft Misteln bei Verbreitung
Zu der Familie der Sandelholzgewächse gehörend und der Gattung Viscum album angehörig haben Misteln eine interessante Art der Verbreitung. Der Gattungsname Viscum (lat. für Leim) geht auf eine, den Misteln absolut typische Eigenschaft zurück. Die Mistelbeeren sondern eine klebrige, zähflüssige Substanz ab.
Auf diese Weise sorgen Misteln dafür, dass ihre Samen an beerenfressenden Vögeln kleben bleiben und von den Gefiederten in der Natur verteilt werden. Nicht nur über den Mistelleim wird sichergestellt, dass die Mistelsamen ausgebreitet werden, sondern auch über den Kot der Vögel, die von den Beeren der Misteln fressen.
Im Verdauungstrakt der Vögel löst sich der Mistelleim nicht vollständig auf, so dass die Mistelsamen selbst nach dem Abkoten an Sträuchern und Bäumen haften bleiben, um sich dort als Halbparasit anzusiedeln und seine Schlauchwurzeln auszubilden.
So machen sich Misteln auf die Reise
Abgekotet oder von Schnabel, Füßen und Gefieder am nächsten Baum oder Strauch abgestreift, keimt der Mistelsamen und bildet einen Wurzelschlauch (ein sogenanntes Haustorium) aus, mit dem die Misteln sich als Halbparasit bzw. Halbschmarotzer von der Wirtspflanze versorgen und somit auch wachsen können. Es kommt dann zur typischen Kugelbildung. Die Misteln wachsen mit sich gabelig verzweigenden Ästen zu Sträuchern heran und fühlen sich in gemäßigten Zonen, Tropen und Subtropen wohl.
Wurde die Mistelblüte von Insekten bestäubt, entstehen die meist weißen Beerenfrüchte, in denen der Samen enthalten ist, den die Vögel am oder im Körper mit sich tragen, bis es zur Verbreitung des Samens kommt. In Europa ist es die Weißbeerige Mistel, die vornehmlich als heimische Pflanze anzutreffen ist. Neben weißen Beeren können Misteln auch gelbe und rote Mistelbeeren ausbilden. Wissenschaftler sind sich nicht einig und beziffern die Misteln auf zwischen 400 und 1.400 Arten.
Wissenswertes über die Pflanze Mistel
Die Stängel der Mistelsträucher sind gelblichgrün und verzweigen sich gabelig. Ihre Blätter und Stängel enthalten Giftstoffe, die für Kinder und einige Tiere gefährlich sein können. Pro Jahr bildet sich eine weitere Gabel aus, an der lanzettenförmige, leicht torsierende Blätter wachsen.
Mistelbeeren wachsen im Dezember zu erbsgroßen Früchten und sind auf dem Speiseplan der Vögel eine wichtige Nahrungsquelle im kalten Winter (hierzulande). Als Halbparasit und Halbschmarotzer durchbohren die Pflanzen die Baumrinde, zapfen mit ihren Wurzeln die nährstoffführenden Bahnen des Wirts an und so zehren die immergrünen Misteln die Wirtspflanzen aus, was letztlich bis zum Absterben des Wirts führen kann. Mistelsträucher können sich mit Fotosynthese auch eigenständig ernähren.
Misteln sind sehr robuste Pflanzen, die meist erst dann absterben, wenn der Wirt eingeht. Mistelsträucher können daher ein sehr hohes Alter (mehrere hundert Jahre) erreichen. Außerdem sind die Pflanzen für Insekten uninteressant und sogar Wind, Eiseskälte oder Hitze und Dörre können Misteln kaum etwas anhaben. Meist siedelt sich der Halbschmarotzer in den Baumgipfeln an, nur selten am Stamm.
Sie gedeiht unter anderem an:
- Apfelbäumen
- Birnbäumen
- weiteren Obstbäumen
- Ulme
- Weide
- Pappel
- Busche
- Esche
- Eiche
- Linde
- Vogelbeerbaum
allerdings kaum oder gar nicht an Nadelgewächsen.
Misteltherapie
Zurückgehend auf den Anthroposophen Rudolf Steiner wird die Misteltherapie bei Krebserkrankungen durchgeführt, obwohl medizinische Studien bisher noch zu keinen konkreten Ergebnissen kamen, inwieweit die Therapie mit Misteln Heilung herbeiführt oder die Lebenszeit verlängert.
Bei der komplementärmedizinischen Behandlung von Krebs mit Misteln wird die Verabreichung von Mistelextrakt als subkutane Injektionen (ins Tumorgewebe) ergänzend zu chirurgischen Eingriffen sowie Chemo- und Strahlentherapie vorgenommen.
Doch die Akzeptanz dieser Ergänzung ist nur gering, da ein hohes Risiko im Bezug auf gravierende und unerwünschte Wirkungen bestehen soll (Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System, Negativwirkungen auf zentrales Nervensystem, Allergien usw.). Auch bei anderen Erkrankungen (z. B. Autoimmunerkrankungen, Epilepsie) setzen Behandler z. T. auf die Misteltherapie.
Mythen und Sagen um die Mistel
In fast allen Kulturen zählen Misteln zu den bedeutsamsten Zauberpflanzen. Germanen, Kelten, Druiden – sie bereiteten aus der Mistel Zaubertränke und glaubten daran, dass Mistelelixiere Mut, Kraft und Unbesiegbarkeit verleihen. In anderen Kulturen gilt die Mistelpflanze Heilmittel, Schutzbringer, Gegenmittel gegen Gift und als Liebesbringer, der gleichsam auch den Blutdruck senken und vor Krebs schützen soll.
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Sich Küssenden bringt die Mistel die ewige Liebe und angeblich auch Fruchtbarkeit. Und so küssen sich Verliebte an Weihnachten unter dem Mistelzweig, der über einer Tür aufgehängt wird. In Frankreich wird in der Silvesternacht so manch guter Wunsch unter Mistelzweigen ausgesprochen, denn an die magische Zauberkraft der Misteln glauben die Menschen auch heute noch.
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